lundi 5 octobre 2015

2015 Auf dem Hugenottenweg - durch Savoyen und Hochsavoyen












Jochen Sicars

2015 Von Aix-les-Bains nach Genf



Auch diese Wanderung, die letzte französische Etappe auf dem Hugenottenweg, haben wir wieder mithilfe unseres letztjährigen Tourenplanungsbüros PEDESTRIA geplant. Die Wanderstrecke auf dem Weg liegt fest* und ist detailliert beschrieben, die Unterkünfte, Hotels ** oder gute B&B, sind reserviert und unser Gepäck wird bis auf das, was wir für den Tag auf dem Rücken tragen, von einer Unterkunft zur anderen weiter transportiert. Abenteuer im Lehnstuhl sozusagen ...

Sicher wäre es nach Chambéry, dem Ziel unserer letztjährigen Schlussetappe reizvoll gewesen, in diesem Jahr bereits am Südzipfel des Lac du Bourget mit unserer Wanderung zu beginnen und gemächlich dem Seeufer zu folgen. Doch schon bei der Planung für dieses Jahr hatte sich – die Reformierten mögen mir verzeihen – Satan, der Fürst der Finsternis in meine Träume eingeschlichen und mir als Auftakt statt Wanderns auf dem befestigten Radweg entlang des Sees eine bequeme Seerundfahrt vorgespiegelt, mit Zielen wie die Abbaye d' Hautecombe, eine Fahrt durch den Canal de Savières nach Lavours an der Rhône mit seiner Kupferschmiede oder zur Ölmühle von Chanaz. Nur zu gern bin ich seinen Einflüsterungen erlegen; die Entscheidung für Lavours ergab sich aus dem Beginn unserer Wanderwoche und dem Fahrplan der Compagnie des Bateaux du Lac. Wie sich dann zeigte, erlag auch mein Freund Rainer ohne erkennbaren Widerstand Luzifers Schmeicheleien ... 

* Aus Gründen der Unterbringung weicht die Pedestria-Trasse gelegentlich vom festgelegten Weg
   ab - so liegt z.B. der wichtige Ort Motz für uns etwas abseits.



Dienstag, 22.September 2015 – bedeckt und sonnig im Wechsel, später leichter Regen

Anreise und Seerundfahrt

So sind wir also am Dienstag, den 22. September morgens per Bahn in Aix-les-Bains angereist, Rainer aus Zürich und ich aus Dieulefit, haben unsere Koffer im Hotel Cecil abgestellt (**, einfach, aber günstig gelegen und vor allem ein Inhaber „zum knuffeln“ – schweizerisch: knudeln) und sind rechtzeitig hinunter zum Anleger, um die Abfahrt unseres Rundfahrtschiffes um 14 Uhr 30 nicht zu verpassen: Vom Hotel Nähe Bahnhof bis unten zum „Grand Port“ sind es doch gut drei Kilometer.



Aller Anfang ...
Unser sympathischer Hotelier hat uns Gratis-Buskarten geschenkt; prompt sind wir zu früh. Es reicht noch für einen Gang durch den Hafen und eine – schreckliche – Pizza (Rainer hat da mit seinem Salat eindeutig das bessere Los gezogen), dann öffnet der Kartenverkauf am Hafen. Angesichts von etwa fünfzig Reisewilligen entscheidet sich die Compagnie des Bateaux für ein mittelgroßes Schiff und los geht’s. Aix liegt auf halber Höhe des Lac du Bourget, das Schiff nimmt Kurs auf die Einfahrt des Canal de Savières und während der ganzen Fahrt lässt uns der Kapitän an seinem Wissen über Aix, den See und dessen Bewohner und unser Ziel teilhaben:


Aus dem Faltblatt der Stadt Aix-les-Bains

Aix war also in seinen Anfängen nur ein Pfahldorf am See. Seine Schwefel- und Alaunbäder, die schon die Römer zu rühmen wussten, sollen viel später auch Heinrich IV. auf einem seiner Eroberungszüge zu dem Ausspruch veranlasst haben, dass er nirgendwo jemals besser gebadet habe (was er dann auch gleich vor seiner gesamten Begleitung tat). Da allerdings waren sie in der finsteren Nachrömerzeit nach Nutzung als Steinbruch für behauene Steine schon in weit weniger rühmlichem Zustand. Alles das erfahren wir, während der Schiffsdiesel uns dröhnend voranschiebt. Schon zuvor waren es die Fürsten Karls des Großen, die Könige der Provence und später die von Burgund, die die Thermen dieses Ortes zu schätzen wussten und schließlich ist noch die hohe Zeit der Stadt in der „Belle Époque und noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zu erwähnen, als Aix einer der meistfrequentierten Ferienorte der Noblesse und der damaligen High Society war.



Auf der Fahrt zu Canal de Savière

Wir erfahren, dass der See noch recht fischreich ist und dass nur eine Handvoll Fischer das Recht hat, hier zu fischen und ihren Ertrag an die umliegenden Hotels und Märkte zu verkaufen. Wir werden später in unserer zweiten Herberge einen davon in geräucherter Form kennen lernen – ein wahrer Genuss.

Die Abtei Hautecombe




Nach einer Stunde etwa passieren wir die am westlichen Ufer gelegene Abtei d'Hautecombe, eine ehemalige Zisterzienser- und später Benediktinerabtei, die bis zur französischen Revolution Grablege der Grafen-, Herzogs- und später Königsdynastien war. Nach den Zerstörungen der Revolution und nachfolgender Restaurierung nun ein prachtvolles Bauwerk im neugotischen Stil. 

Ein Flussboot im Retrolook - mit Antriebsradattrappe

Die Einfahrt zum Canal de Savières zeigt sich erst im letzten Moment als schmale Lücke in einem Schilfgürtel und erweist sich als windungsreiche Durchfahrt mit einigen Engpässen, über denen sich die Bäume fast schließen. Boote links und rechts, gelegentlich ein anderes, entgegen kommendes Ausflugsboot, dann plötzlich linker Hand das sich am Berg hoch erstreckende Chanaz, ein offensichtlich sehr beliebter Ausflugsort, wenn man nach den sich endlos am Ufer erstreckenden Lokalen und ihren bis ans Ufer reichenden Tischreihen urteilen will. Jetzt gegen Ende der Saison warten sie wohl unter der Woche vergebens auf Kundschaft.


Chanaz in der Nachsaison



Wir fahren weiter, unser heutiges Ziel ist Lavours auf der anderen Seite des Rhône-Seitenkanals, wozu wir eine vier Meter hohe Schleuse durchfahren müssen, um auf das dortige Niveau zu kommen. Die Schiffe sind hierfür offenbar nach Maß gebaut – die Schleuse „passt wie ein Handschuh“. 


Am anderen Ufer erwartet uns die angekündigte Kupferschmiede, deren Inhaber sich mangels früher ausgeübter Tätigkeiten dem Tourismus zugewandt hat. Wir werden in mehreren Stuhlreihen geparkt und der Meister hebt an zu einer ausgedehnten Lobrede über die alten Zünfte, seinen Über-Vater und die wandernden Gesellen, deren es nun nur noch so wenige gebe. 

Handwerk hat kupfernen Boden, der goldene ist Geschichte

Vor unseren Augen zeigt er dann aber auch, dass er noch zu denen gehört, die ihr Handwerk verstehen und dreht fast im Handumdrehen aus einer einfachen Kupferplatte den Fuß eines Kerzenständers, der sich sehen lassen kann. Der Rest ist Übergang zum gar nicht verheimlichten Ziel, möglichst viele der in der Ausstellung nebenan angebotenen Erzeugnisse, die hier jedoch offensichtlich aus verschiedenen Quellen zusammen fließen, an den Mann/die Frau zu bringen. Warum auch nicht; es ist jedem freigestellt, zu kaufen oder auch nicht. 

Dort oben geht es morgen entlang - bis ganz oben

Die gut einstündige Rückfahrt verläuft ohne neue Höhepunkte, links die Bergkette nördlich Aix, die wir morgen in ganzer Länge durchwandern werden und rechts die des Mont du Chat, der steil zum See hin abfällt. Im Vorbeifahren entdecken wir einige der vorhin zitierten Fischer, die nun gegen Abend ihre Netze einholen. Bedauerlich nur, dass unser Schiff fast völlig verglast ist und das gerade mal fünf Meter tiefe Achterdeck, auf dem wir uns aufhalten, voll von den Dieselabgasen profitiert.


Das Casino von Aix - mit berühmter Deckenmalerei


Für die Seerundfahrt waren wir vor eine Wahl gestellt worden und so haben auf die Besichtigung der Stadt Aix-les-Bains verzichten müssen. 

Hotel Bernascon - im August 2015 abgebrannt
Die schöne Promenade, die Thermen und einige der Prachtbauten der Belle Époque sind uns entgangen und natürlich auch das Casino mit seiner berühmten Decke. Immer wieder das Problem bei Wanderungen, dass man bei Ankunft nicht viel mehr im Sinn hat als eine schöne, heiße Dusche. Nur lösbar durch eine Wiederholung per Auto. 

Um 19 Uhr sind wir zurück im Hotel. Schon wieder Appetit – es wird wohl die Seeluft sein. Wir finden nach einigem Suchen ein kleines Restaurant, das nicht nur Döner oder Pizza im Angebot hat und wählen aus dem Angebot der aktuellen Muschelsaison: Moules marinières, danach ein Eisbecher Belle Hélène. Halb Elf, draußen nieselt es. Tagebuch, Bettruhe.


 Links: Der etwas schwachbrüstige Triumphbogen 



Mittwoch, 23. September 2015 – grau, später Regen

Aix – Chindrieux (Groisin Nord), 17 km (+4), Höhenunterschied + 985 m / - 910 m, 5 Std.

Frühstück um 8 Uhr, aus-checken. Rainer, seit jeher ein großer Do-it-yourself-Adept und Renovierer verlassener, italienischer Rustici, hat an seinem Zimmer einige Kleinigkeiten zu bemängeln, darunter z.B. einen Wasserhahn, dessen Wasser mehr auf den Rand als ins Waschbecken fließt oder eine Klorolle, zu der man über die Schulter langen muss. Ein Vergnügen dann aber, den Neu-Hotelier, der bis vor vier Jahren noch Reisender war, zu größter Form auflaufen zu sehen, als er seine Sache zu vertreten hat. Am Ende müssen wir zugeben, dass er bei der Renovierung des Hotels aus dem 19. Jh. in Anbetracht des Preis-Leistungsverhältnisses seines Etablissements von goldenen Wasserhähnen Abstand nehmen und auf Standardware aus dem Baumarkt zugreifen musste. Auch die noch teuer genug für sein Budget. 60 € pro Nacht + Frühstück 8 € findet man dafür nicht alle Tage.


Unsere tatsächliche Wanderung beginnt ca. 2 km vom Hotel entfernt am Kreisverkehr des Pont rouge zu Füßen der Bergkette östlich des Sees. Da der nächste Bus erst in vierzig Minuten zu erwarten ist, nehmen wir auch diese Strecke unter unsere Stiefel.

Neben einem Markt, den wir kreuzen, bereitet man uns in einer Bäckerei in Minutenschnelle unsere Sandwiches für‘s Picknick und weiter geht es. Am Pont rouge angekommen,  beginnt auch schon die Katastrophe: Wir finden uns mit der von PEDESTRIA gelieferten Wegbeschreibung nicht zurecht und während einer knappen Stunde drehen wir uns auf den Abhängen des Forêt de Corsuet  im Kreise, um auf den rechten Weg zu kommen. Immer wieder schneiden sich die verschlungenen Wege dieses Ausflugsgebietes. Dann endlich zeigt sich der Wegweiser nach Brison-Saint-Innocent und wir können ausschreiten.

Von dort aus geht es bergauf, nun aber auch auf beschatteten Waldwegen, nachdem wir bislang nur Asphalt unter den Füßen hatten. Wanderer kennen das Vergnügen, muss man nicht beschreiben. Leider hat die Beschattung auch ihre Kehrseite: Nur selten gibt es Ausblicke auf den See und die Bergkette dahinter. 

Nach einer Stunde beginnt es zu nieseln, dann anhaltend zu regnen; zum ersten Mal seit fünf Jahren muss die regenfeste Kleidung aus dem Rucksack geholt werden. Eine Stunde später haben wir den höchsten Punkt unserer Tagesstrecke erreicht und die Sonne hat ihren Platz am Himmel zurück erobert. Picknick am Fuße einer Steilwand, an der eingeschlagene Haken deren Verwendung als Kletterstrecke ausweisen. 



Gleich danach treffen wir auf die Serpentinenstraße, die rechts weiter hoch zu einem Restaurant und Aussichtspunkt führt, den schon Königin Victoria besucht haben soll. Dazu erzählt man sich die Geschichte, dass die große Monarchin einem Bauern, der seinen Esel maltraitierte, das arme Tier abgehandelt und als Packtier mit nach oben genommen hat. Glauben wir einfach mal.







Ein zufälliger Blick zurück lässt uns ein Exemplar jener Spezies entdecken, die ständig auf der Suche nach dem „optimalen Kick“ ist: Von der Höhe des ca. 50 m hohen Kletterfelsens hat er ein Seil schräg nach weit unterhalb unserer Position gespannt, auf dem er nun, gesichert mit einer Fangleine versucht, aufrecht! abwärts zu laufen. Bei ungefähr 30° Abweichung von der Vertikalen! Ständige Stürze, bei denen er dann zum wiederholten Male an seiner Leine hängt, lassen das Ganze als ziemlich hirnloses Unterfangen erscheinen. Wir bleiben da mal lieber mit den Füßen auf der Erde ...




Nun also der „Chemin de la Chambotte“ oder D991b, der sich, erneut asphaltiert, über etwa fünf Kilometer fast wie am Lineal gezogen, bergab Richtung Chindrieux hinzieht. Wieder dieses ungeliebte „Klotz am Bein, Klavier vorm Bauch ...“, doch auch das liegt nach gut einer Stunde hinter uns.



Von Zeit zu Zeit haben wir einen kleinen Ausblick auf den See mit Châtillon und seiner Burg an dessen Ende, früher das Zentrum der Chautagne, heute schon dreimal Drehort von Filmen. Was wir nicht wissen ist, dass wir bereits 2 km zuvor an einer Abzweigung vorbeimarschiert sind, die uns nach wenigen Minuten zur Hautinière, unserer heutigen Nachtbleibe geführt hätte. Nach meiner mit einem blauen Punkt markierten Karte dagegen müsste diese noch in gutes Stück vor uns liegen. Gelobt sei der Erfinder des Handy; Madame Chardet ist untröstlich und beschreibt uns wortreich den Weg zurück, nur gehört sie leider zu dieser Spezies, die weder am Telefon, noch auf dem Terrain – zumeist heftig mit den Armen rudernd – Wegstrecken erklären kann. 
Dreimal müssen wir erneut anrufen, bis alle Probleme vom Tisch sind und wir von einer sehr sympathischen älteren Dame begrüßt werden. So sind aus den angesetzten 17 km doch schnell noch mehr als 20 geworden und wir können uns über unser schönes Quartier freuen.


Madame hat mithilfe eines befreundeten Tischlers ihr Haus an den Hängen über dem See in ein echtes Kleinod verwandelt, mit besten Materialien an Stein und Holz und mit schönen, antiquarischen Möbeln, ohne dabei modernen Komfort aus den Augen zu verlieren. 

Wir fühlen uns sofort wohl und noch wohler, als es zum Abendessen geht: Zur Begrüßung ein Weißer aus den hiesigen Weinbergen der Chautagne, ein Gedicht im Gegenteil zu den Roten, denen wir später auf unserer Wanderung begegnen, die auch gutes Geld kosten, aber wohl nichts zum Ansehen der Chautagne-Weine beigetragen haben. Als Vorspeise serviert Madame geräucherte Lavaret-Scheiben, gefolgt von Hecht-Grießklößen mit Nantuasauce und Gemüsen, mildem Ziegenkäse aus Charnaz und schließlich Weißkäse mit einem Himbeerpüree (ich muss das immer alles erwähnen, bestimmte meiner Leser bestehen darauf ;).

Nach dem Essen stellt sich heraus, dass Madame Chardet segelt, dass sie ein nicht ganz kleines Segelboot auf dem See hat und dass sie Golf spielt und von da an gibt es kein Halten mehr beim Austausch unserer Erfahrungen. Doch schließlich machen sich die zurückgelegten Kilometer auf dem 800 m hohen Gebirgszug doch bemerkbar. Schluss für heute. Logbuch und aus ...




















Donnerstag, 24. September 2015 – Sonne

Von Chindrieux nach Seyssel – 20 km (+ mind. 2) – Höhenunterschied + 550m - 605 m, 5 Std.

Wie immer um 8 Uhr am Frühstückstisch – man weiß nie, was der Tag bringt. Auch hier hat Madame sich wieder selbst übertroffen. Das Angebot an Brötchen, Croissants und verschiedenen Konfitüren, Schinken etc. reicht aus, auch unser heutiges Picknick damit zu bestreiten. Fotoserie rundum und schon sind wir wieder auf dem Weg Richtung Genf.
Schon beim Rathaus von Chindrieux kommt die Wegbeschreibung so missverständlich daher, dass wir den Weg nach Lachat verpassen, der kein GR ist und zudem gibt es an der Strecke entlang der Montagne du Gros Foug gleich zwei Orte dieses Namens, was nicht erwähnt wurde. So finden wir uns bald auf der Straße nach Praz, von wo aus man jedoch lt. Karte zurück Richtung Chevigneux gelangen sollte. Dieser Weg zeigt sich bald als böse Falle, denn er verliert sich nach überschaubarem Beginn in einer triefend nassen Wiese ohne jegliche Spur. Nach einiger Suche finden wir einen Übergang am Zaun und landen wenig später vor einigen vom Wind gefällten Bäumen, die ich mühsam überwinde, doch nur um festzustellen, dass es dahinter nicht weiter geht.

Zurück und nun der Versuch, einen nassen, erdigen und von dornigen Robinien bestandenen Steilhang zu erklettern. Dass mir bei der Überwindung der gefällten Bäume unsere Wegbeschreibung aus der Tasche gerissen wurde, merke ich erst sehr viel später. 

Der Moment, an dem ich unseren Wegführer einbüße

Oben angekommen, finden wir eine Passage über einen Bauernhof und sind bald wieder auf dem Weg entlang der Bergkette des Mont Clergeon über Montagnet nach Lachat II

Hier beginnt sie also, die Chautagne der Weinberge, während in der Ebene bisher die Pappelplantagen zur Trockenhaltung des ehemaligen Sumpfgebiete den Ton angaben. Ab hier werden wir reichlich entschädigt für die bisherigen Asphaltstrecken durch Pisten entlang der Weinberge, von deren Resttrauben nach der Weinlese wir uns großzügig bedienen, dann durch einen gut gepolsterten Waldweg, der uns – nun ohne Wegführer, aber immerhin mit markierten IGN-Karten – hinunter ins Rhônetal nach Serrières-en-Chautagne bringt.

Ich habe immer wieder versucht mir vorzustellen, wie die flüchtenden Protestanten Ende des 17. Jahrhunderts sich auf ihrem Weg in das rettende Genf durch ihnen feindlich gesonnenes Gebiet voran gearbeitet haben, immer die Angst im Nacken vor den Dragonern des Sonnenkönigs und den auf das ausgesetzte Kopfgeld erpichten katholischen Anwohnern dieser Landstriche. Es will mir beim Anblick dieser sonnigen und bukolischen Landstriche einfach nicht gelingen. Ebenso wenig wie die Vorstellung, wie oft in den vorangegangenen Jahren der Religionskriege die raubenden und plündernden Söldnerhorden der unterschiedlichen Parteien hier eingefallen sind und das Land zum Kriegsschauplatz degradiert haben. Aber es sind auch wohl allein die Emigranten, die heute aus den Kriegsgebieten des Vorderen Orients und Afrikas fliehen, die eine realistische Vorstellung ihres Flüchtlingselends haben und denen der Blick für die Schönheiten rechts und links ihres Weges fehlt.
In Serrières legen wir eine Pause in einem Minipark mit Brunnen und Bänken ein, um unser inzwischen wohlverdientes Picknick einzunehmen. Die Sonne scheint aus allen Knopflöchern und es fällt schon ziemlich schwer, zur nächsten Etappe aufzubrechen. Doch trotzdem kann sich der nach meinem Gefühl recht frühe Herbst nicht verleugnen; wir sind auf unserem Weg schon wilden Alpenveilchen und gelbem Herbstkrokus begegnet, die Kastanien sind schon fast alle gefallen und überall leuchten die roten und gelben Beeren des Feuerdorn, während Rainer schon zehn Meter vor jeder Ölweidenhecke (Eleagnus ebbingei) durch den Duft ihrer winzigen Blüten in Extase gerät.


Kurz nach La Chêtraz, genauer in Mathy treffen wir auf den GR 65, der zudem eine Besonderheit aufweist: er ist von hier bis Chaumont gleichzeitig der Hugenottenweg und der Weg nach Santiago de Compostela, wie auch die sich an den Wegweisern zeigende Muschel anzeigt. 

 GR, Jacobsweg, Wegrichtung
Eidechse auf dem  Jacobsweg



Aus Richtung Süden kommend führt der erstere östlich des Lac du Bourget vorbei nach Norden, der andere begleitet weiterhin die Rhône über Chanaz nach Süden, ab hier gleichzeitig GR 9. Ein uns entgegen kommender Wanderer auf dem Weg mit der Muschel sieht uns in der falschen Richtung unterwegs; wir danken freundlich und deuten an, dass wir von der Konkurrenz sind ...

Nach drei/vier Kilometern des Auf und Ab haben wir die Rhône erreicht, die von hier ab in südlicher Richtung von einem Seitenkanal begleitet wird und selbst, reduziert durch den Kanal, müde  durch eine Folge von Inseln mäandert. Auf der anderen Seite des Flusses die Barre des Grand Colombier. Bis hierher war die Rhône zu Zeiten der flüchtenden Protestanten schiffbar, von hier aus wurden jene, die es sich leisten konnten, per Kutschen weiter nach Genf gefahren. Doch schon viel früher, schon zu Zeiten der Römer, war dieser Transportweg bekannt. Auf der Rhône reisten Wein, Geschirr und vor allem Salz aus dem Süden, ihnen entgegen kamen das von den Bildhauern begehrte, weiße Gestein von Seyssel, Waffen und Stoffe aus den nördlichen Ländern. Die Salztransporte, bis zu 20 schwer beladene Schuten, wurden von sechzig bis achtzig Vierergruppen von Pferden auf den seitlichen Treidelwegen flussaufwärts gezogen, wo ihre Ladung in den fern der Meere gelegenen Landstrichen vor allem zur Gerberei gefragt war. In Seyssel war Schluss, Seyssel mit seinen Lagerräumen und einem ausgebauten Straßen- und Wegenetz war Umschlagstation vom Fluss auf das Land.

Seyssel (Savoyen-Seite) mit Hotel Beauséjour
 
Die Brücke zwischen den beiden Seyssel-Hälften


Wir kommen bereits vor vier Uhr im Ort an, zu früh, um im Hotel einzuchecken. Wir nutzen die Zeit für einen kleinen Rundgang, vorbei an der schönen Hängebrücke, die die auf beiden Flussseiten angesiedelten Stadthälften verbindet und längst die früher ständig vom Strom zerstörten Holzbrücken ersetzt hat. In früheren Zeiten musste nach jeder Flut eine sicher nicht ganz ungefährliche Seilfähre den Betrieb aufrecht erhalten, bis ein neues Bauwerk entstanden war. Oben auf dem zentralen Platz erfrischt ein Drink unsere Lebensgeister, dann ist es 17 Uhr und das einzige Hotel am Platz, das Beauséjour geöffnet. 

„Sachlicher“ Empfang, zwei Schlüssel wechseln den Besitzer, dann sind wir auf unsere Zimmer entlassen. Welch ein Unterschied zu gestern! Wir richten uns ein und nach ein paar Minuten treffen wir uns wieder auf der Sonnenterrasse auf dem Dach des Restaurants, dessen Wand steil zum Wasser der Rhône abfällt und dessen Terrasse unten weit über den Fluss hinaus gebaut ist. Noch stehen da oben die Liegen und die Zeit bis zum Abendessen vergeht beim Lesen.



Unten im Restaurant ist unser erster Eindruck vom Hotel schnell wett gemacht durch die schwarze Serviererin, die scheinbar alles Glücklichsein dieser Erde
gepachtet hat. Ein fröhliches Geplänkel setzt an und sie weiß auch gleich, was für uns gut ist: Ein savoyardischer Teller als Vorspeise, als Hauptgang Colin (Seehecht) mit Gemüsen und gemischtem Reis, statt Käse nochmals Weißkäse mit Fruchtpüree und schließlich noch ein Stück Apfeltorte. Der rote Chautagne dazu macht wenig Lust auf mehr. Doch eines ist sicher: Es wird böse mit uns enden, wenn das so weiter geht mit der Völlerei.

Noch ein wenig den Tag durchhecheln*, lesen, Logbuch. Gute Nacht.

*hecheln – norddeutsch für angeregt unterhalten 



Freitag, 25. September 2015 – Sonne

Von Seyssel nach Chaumont – 21 km (+2) – Höhenunterschied + 915 m / - 520 m, 6 Std.

Schon um halb neun sind wir wieder auf dem Weg. Und da wir fröhlich weiter “hecheln“, verpassen wir auch wieder mal eine Abzweigung und müssen einen Umweg nehmen, um wieder auf die GR 65-Variante zu gelangen. Wir entfernen uns nun vom Lauf der Rhône. Es geht kräftig bergan und wird von nun an wieder ein ständiges Auf und Ab durch eine sehr ländliche Hügellandschaft mit kleinen Orten und Weilern, wo sich nur selten ein Mensch sehen lässt. 

 

Von Einkaufsmöglichkeiten für den Wanderer ganz zu schweigen. Dafür begegnen wir mehr und mehr den hier heimischen Nussbäumen, die allenthalben die Straßen säumen. Es dauert nicht lange, da beulen sich die Taschen unserer Westen bis zum Platzen, doch auch unsere schon etwas in Mitleidenschaft gezogenen Rücken und Knie lassen uns vor weiteren Sammelaktionen zurückschrecken. 

 
Das Problem ist: Wie komm' ich wieder hoch ...


Gegen Mittag kommen wir in Frangy am Ufer des Flusses Usses an, der sich tief in das umgebende Plateau eingeschnitten hat. Hier herrscht wieder Leben und wir brauchen nicht lange, um am Ende des Ortes ein Lokal zu finden, in dem wir zu unserem Picknick die uns inzwischen fehlenden Getränke finden – vor allem Tee für mich. Das Glas hiesigen Rotweins hätten wir besser weggelassen ...
Das Haus macht den Eindruck, als erwarte man für dieses Jahr keine Gäste mehr; nur noch zwei Tische mit Stühlen flankieren den Eingang und einige müde Lampen signalisieren, dass das Objekt unserer Begierde jedenfalls geöffnet ist. Wir ziehen uns einen der Tische in die Sonne und bekommen auch – Abholung obligatorisch – die gewünschten Getränke am Tresen. Eigentlich doch ein recht hübscher Platz ...


Über Collonges geht es weiter und nach 3 km sehen wir bereits die Burgruine von Chaumont vor uns, Grund genug, noch einmal eine Rast am Wegrain einzulegen.Trotzdem sind wir bereits um drei Uhr in Chaumont, das schnell
 

erkundet ist. Nichts Aufregendes, ein paar nette Fotomotive; das einzige Lokal ist zwar in den letzten drei Wochentagen geöffnet – aber nicht vor abends. Da unsere nächste Herberge – das B&B La Barotte – in ca. eineinhalb Kilometer Entfernung am Fuße des Vuache-Gebirges liegt, machen wir uns also wieder auf den Weg. Leider fehlt es mal wieder an sichtbaren Hinweisen und so folgen wir mangels Besserem den kleinen Schildern, die Schutzhütten anzeigen. Dass das ein Fehler ist, erfahren wir, als wir 1 km weiter und weit höher doch mal anrufen und zurück in den Weiler marschieren dürfen. Man hat unterlassen, an der Kreuzung im Ort ein Schild anzubringen, eine genaue Adresse lag uns auch nicht vor und nun will man ohnehin aufgeben, weil es mit der Arbeit zu viel wird.



So sah es mal aus - ohne den Blitz :-)
La Barotte ist ein ehemaliger großer Bauernhof, in Naturstein gesetzt, den vor dreißig Jahren ein Französisch-Schweizer mit seiner englischen Frau als Ruine erworben und komplett restauriert hat. Es muss Jahre gedauert haben, wenn man nach dem heutigen Zustand urteilen will. Beste Materialien, behutsam eingesetzt und auch hier – wie schon in Chindrieux – die Ausstattung in einem gelungenen Mix von Antikmöbeln und modernem Komfort. Ein Klick auf diesen Link mag einen kleinen Eindruck dieses schönen Ensembles vermitteln. Man kann nur bedauern, dass das Ehepaar Cornu den Entschluss gefasst hat, den Bereich chambres d’hôtes (B&B) aufzugeben.



Wir beziehen unsere Zimmer und verbringen den Rest des Nachmittags auf den Liegen im gepflegten Garten, nicht ohne einige Runden Ballspiel mit dem davon sehr begeisterten Labrador des Hauses. Auch das Abendessen danach ist auf der Höhe des Gesamteindrucks: Wir werden in die riesige Wohnküche gebeten, wo einer dieser enormen französischen Herde das Bild beherrscht, jedoch noch flankiert von einer weiteren „normalen“ Kochstelle. 




Zur Eröffnung serviert Madame eine Karotten-Kürbis-Kartoffelsuppe, die „Nachschlag“ geradezu fordert. Ein Höhepunkt: Madame hat neben den üblichen Esslöffeln auch englische für denjenigen aufgelegt, der neugierig genug ist, es mal mit ziemlich großen, quer zum Munde zu führenden Löffeln zu versuchen. Es ist machbar ...
Als Hauptgang gibt es einen Lammschmortopf mit div. Gemüsen, gefolgt von einem Mont d’Or-Käse und zum Abschluss ein Trauben-Crumble mit reichlich alkoholisierten Früchten. Als Aperitiv einen weißen Chautagne und dann später, als Roten, einen Bergerac – Monsieur weiß wohl um die Qualität der rote Chautagne-Weine.

Nachdem der Austausch über das gegenseitige Leben langsam ein Ende gefunden hat, braucht es nicht mehr viel, bis wir in Morpheus‘ Armen gelandet sind. Nicht ohne das Logbuch noch eben nachgetragen zu haben.


Eine niedliche Geschichte gibt es da noch zum Vuache, die ich seinerzeit für die Webseite des Hugenottenweges übersetzt habe:

« Diese Geschichte habe ich in meiner Jugend gehört, als sie meiner Mutter
erzählt wurde. Es gibt auf dem höchsten Gipfel des Vuache-Berges ein Oratorium oder eine Kapelle mit einer dem Saint Victoire (im Dialekt Sainta Vaitire) gewidmeten Statue.

Eines Jahres gab es eine große Trockenheit und im August, als die noch immer glühende Sonne auch das letzte Grün im Lande vernichtet hatte, befahl der Pfarrer von Vulbens-au-Vuache all seinen Pfarrkindern, sich in einer feierlichen Prozession zur Kapelle Sainte-Victoire zu begeben, um Regen zu erbitten.

Zur angegebenen Stunde verlässt die Prozession die Kirche mit Fahnen, Kruzifix, Traghimmel, Hostie und nicht zu vergessen den Penitents blancs und Mädchen mit weißen Schleiern unter dem Klang der Glocken und Absingen von Litaneien den Ort und nimmt den Weg, der ins Gebirge führt.Während des Aufenthalts bei der Kapelle bildet sich eine Wolke, nicht größer als eine Handfläche, auf der Seite der Chautagne, wird größer und bedeckt schließlich den halben Horizont. In der Gewissheit, erhört worden zu sein, lässt der Pfarrer seinen Zug sich erneut formieren, um in guter Ordnung in die Pfarrkirche zurück-zukehren. Kaum hat jedoch die Prozession den Abstieg vom Berg begonnen, als, nach zunächst großen Regentropfen, ein schrecklicher Hagelschlag auf die Landschaft herab prasselt.

Es gibt also ein Rette-sich-wer-kann, eine unbeschreibliche Flucht. Der Pfarrer schreit, seine vom Hagel malträtierten Hände zum Himmel gereckt: Trè z'in trè sainta Vaitire, tapi on pou sus los eiguenots.. on pou sus los eiguenots. (Das ist zuviel Saint-Victoire, schlag doch ein wenig die Hugenotten… ein wenig die Hugenotten).

Es scheint nicht, dass dieser barmherzige Wunsch des guten Pfarrers gehört wurde; die Hugenotten wurden in diesem Falle verschont».  

Quelle : Courrier des lecteurs Le Patriote savoisien  
Kupferstich:
http://www.introibo.fr/25-04-Litanies-Majeures



Samstag, 26. September 2015 – Sonne –

Von Chaumont nach Genf - ca. 11 km Wanderung bis Valleiry.- Höhenunterschied + 300 m / - 615 m

Auch heute sind wir wieder um halb neun "auf Piste“. 

Schlossruine Chaumont
Zunächst zurück nach Chaumont, dann im Bogen um den Ausläufer des Vuache herum und dann auf dem sehr angenehmen Rundweg zu Füßen des Berges in nördlicher Richtung nach Savigny und weiter nach Murcier, wo wir uns wieder einen unserer üblichen Ausrutscher leisten und statt Richtung Jurens zu laufen in das ziemlich weglose Gebiet zwischen Murcier, Dingy und Bloux geraten. Nach einigen vergeblichen Ausbruchsversuchen weist uns schließlich ein Jäger den Weg, ohne uns allerdings – in Sorge um den ihm entlaufenen Hund – die weitere Richtung zu erklären. So landen wir doch noch nach einigen Irrungen in Bloux und können von dort aus den Übergang über die Autoroute blanche finden. Nach einem kleinen Schlenker, der uns zu einem Mahnmal zu Ehren dreier von den Deutschen im 2. Weltkrieg getöteten Widerstandskämpfern führt, erreichen wir die Ausläufer von Valleiry. Hier stellen sich nun zwei Alternativen zur Wahl: Entweder weiter auf dem „richtigen“ Weg der Hugenotten nach Chancy und von dort durch endlose Vororte nach Genf oder Schluss der Wanderung hier und jetzt und weiter per Bahn oder Bus nach Saint Julien-en-Genevois, wo uns unser heutiges Hotel erwartet.

Wir entscheiden uns für Lösung 2 und bedauern es schon wenig später. Wie sich bald zeigt, gibt es zwar die oben genannten Bahn- und Busverbindungen, aber vor vier Stunden wird sich weder das eine noch das andere Verkehrsmittel zeigen. Es ist Samstag. In der Hoffnung, doch noch jemand zu treffen, der anstelle eines Fußmarsches von 12 km auf einer vielbefahrenen Landstraße ohne Seitenwege eine Idee für unser Weiterkommen beizutragen hat, sprechen wir einen Autofahrer an, der gerade auf einem Parkplatz seinen Müll entsorgt  (ganz ordentlich, da steht ein Container :). Und dieser hat eine sehr überzeugende Idee: „Warum kommen Sie nicht einfach mit mir? Ich fahre direkt dorthin“. Mehr als überzeugend! Angesichts der nun folgenden Strecke kommt ein leichtes Grauen auf, wenn man sich hier einen Fußmarsch vorstellt. Die Chancen sind gering, heile davon zu kommen. Unser Fahrer, von Beruf Krankenpfleger, tut noch ein Übriges, bringt uns bis vor die Tür unseres Hotels und entschwindet ohne weitere Formalitäten.


Das Ü/F-Hotel Le Soli** im Zentrum des Ortes hat schon bessere Zeiten gesehen.
Der Ausstattung nach muss es in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts entstanden sein und weist doch einige Gebrauchsspuren auf. Doch der Empfang ist freundlich, die Inhaberin interessiert sich sehr für den Hugenottenweg, von dem sie zwar gelegentlich Gäste bekommt, von dem sie jedoch –  im Gegenteil zum Jakobsweg, dessen Wanderer ebenfalls hier absteigen –  fast nichts weiß. Dem habe ich inzwischen abgeholfen.


Wir stellen nur kurz unsere Rucksäcke ab (die Koffer sind schon da), ziehen uns um und machen uns auf den Weg nach Genf, dem Endziel unserer diesjährigen Wanderung. Per Bus sind wir in einer guten halben Stunde im Zentrum an der Place de Bel Air und nehmen sofort den Weg in die Altstadt. 

Altstadt Genf

Es ist inzwischen 14 Uhr und der Magen macht sich bemerkbar. Ein kleines Restaurant, halb bayrisch, halb italienisch, schafft Abhilfe und wir können uns auf den Weg über die steilen Treppen hoch ins Zentrum der Altstadt machen, wo die Kathedrale Saint Pierre (seit 1536 reformatorisch und getreu der Weltanschauung Calvins von strenger Schlichtheit in der Ausstattung), das Collège Calvin und viele andere historische Gebäude seiner Epoche auf uns warten. Leider lassen es die wenigen Stunden unseres Besuches nicht zu, uns auch näher mit der unter der Kirche zugänglichen Ausgrabungsstätte zu befassen. Hoffen wir, dass sich ein erneuter Besuch einrichten lässt.

Kathedrale Saint Pierre  Portal

Saint Pierre und Makkabäerkapelle


Collège Calvin

 Der von Johannes Calvin in Genf eingeleiteten Reformation ist es zu verdanken, dass auch in Frankreich den damaligen Missständen in der katholischen Kirche begegnet wurde und dass später die Hugenotten und Waldenser auf ihrer Flucht vor den Schergen Ludwigs XIV. Aufnahme und Geleit ins ferne Deutschland fanden, wo man sie mit offenen Armen aufnahm. Wenn man jedoch ein wenig mehr über ihn gelesen hat, so ist man erstaunt, mit welch  unnachsichtiger Strenge er jeden verfolgte, der anderen Glaubens war und dass es unter seiner Führung sogar zu Hexenprozessen und Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen gekommen ist. Auch er war eben Kind einer Zeit, der unsere heutigen Ansichten noch fremd waren. 



Um uns wimmelt es von Touristen und nur selten hört man einmal einen französischen Akzent. Noch stärker zeigt sich das, als wir wieder zum See absteigen und in die dort zirkulierende Menge eintauchen. Eine wahrlich internationale Stadt. 



Wir durchqueren den Park am See, wandern entlang des Ufers zum Hafen, um Rainers Interesse für Segler zu befriedigen oder die berühmte Fontäne in Aktion zu sehen und dort ist es dann, wo mir unvermutet ein kleiner Junge von einer Treppe vor die Füße springt und ich über ihn hinweg stürze. Der liebe Kleine heult los, sein Opfer liegt erst einmal da und überlegt, was wohl gebrochen sein könnte (nur eine Sehnenzerrung in den Rippen), dann kommt der Vater, der zehn Meter weit entfernt sein Eis löffelte, während Madame auch weiterhin ungerührt ihre SMS konsultiert, sammelt cool seinen Sohn ein und kehrt – blickvermeidend – zu seinem Tisch zurück. Möge ihn ... ach lieber nicht.








Es ist wie gesagt ziemlich müßig, an einem ohnehin schon angebrochenen Nachmittag Genf besichtigen zu wollen. Also gönnen wir uns nur noch einen kurzen Cafébesuch und nehmen dann wieder den Bus zurück nach St. Julien. Man müsste eigentlich nach jedem Wandertag einen Ruhetag einlegen, um sich näher mit den örtlichen Gegebenheiten beschäftigen zu können. So bleibt es oft beim Buchwissen. Auf dem Weg vom Bus zum Hotel treffen wir eine Libanesin mit ihren drei Kindern, die uns aufgeschlossen von ihren Irrfahrten durch verschiedene Länder berichtet und die sich erst hier in Sicherheit fühlt. Exil ist überall – nur mehr oder weniger erträglich.


La Diligence Saint Julien-en-Genevois

Unser Abendessen hat Pedestria in der Diligence reserviert, nicht weit vom Hotel. Ein gut laufendes Restaurant im Landlook, mit eifrigen Bedienungen und einem sehr rührigen Inhaber, der sich mehrfach an den Tischen sehen lässt und offensichtlich alle Welt kennt – hier „ma chérie“, dort „mon pote“; er wird sich um seine Zukunft keine Sorgen machen müssen. Das Abendessen ist weniger eindrucksvoll, irgendwelches Geflügel mit Soße, aber da sind unsere grauen Zellen doch wohl schon zu ermattet, um noch einen nachhaltigen Eindruck zu registrieren.

Nach diesem mehr als reichlich ausgefüllten Tag dauert es heute nicht lange, bis wir uns zur Nacht verabschieden.



Sonntag, 27. September 2015 – Sonne, was sonst?

Rückfahrt nach Zürich resp. Montélimar

Was soll man schreiben über seine Rückfahrt nach Hause? Ich sehe noch Rainer mit seinem Koffer im Schlepp Richtung Bus entschwinden, bringe einiges an Treppauf, Treppab hinter mich, weil meine Gastgeberin mich unbedingt zum Bahnhof bringen will, bis sie dann feststellt, dass sie ihr Auto weder vor noch hinter dem Hotel  finden kann, dann ziehe auch ich mit Sack und Pack zum Bahnhof (ganze 500 Meter) und stehe erst einmal vor verschlossenen Türen. Die bleiben auch geschlossen (Sonntag) und ich darf mich zum ersten Mal in meinem Leben mit einem Fahrkartenautomaten der Bahn herumschlagen. Glücklicherweise bin ich zunächst der Einzige, der den Zug nehmen will und so finde ich schließlich heraus, wie man mit nur einem einzigen Drehknopf + OK die ganzen Anschlüsse zusammen bekommt. Das mit dem „früher war alles besser“ erspare ich uns mal ...

Der TER bringt mich innerhalb zwanzig Minuten nach Bellegarde an der Rhône, wo der Anschlusszug bereits in Wartestellung ist. Eineinhalb Stunden später bin ich in Lyon Part-Dieu und habe nun erst einmal eine Stunde Zeit, mir den futuristischen Bahnhof dieser Stadt anzusehen. Brodelndes Menschengeschiebe, Reisende, die wie angemauert vor den riesigen Flächen der Ankunfts- und Abfahrtstafeln sehen, die den nächsten Imbiss, Kiosk oder einen der zahllosen anderen Einliegershops suchen, alles wirbelt pausenlos durcheinander. Sicher nicht einfach für Umsteiger mit kurzer Übergangszeit oder für Ausländer, sich in diesem Durcheinander zurechtzufinden. Vor den beiden Eingängen Militärs mit Maschinenpistole im Anschlag. Moderne Zeiten – Aktion Vigipirate der französischen Regierung.

Mein Zug läuft ein. Noch einmal eineinhalb Stunden später strahlt mich die beste aller Frauen auf dem Bahnsteig von Montélimar an – ich strahle gern zurück ...

Das war sie also. Unsere letzte Wanderung auf dem Hugenotten-Waldenserpfad. Wenn man die Preise in Genf erlebt hat und auch sonst nicht zum ersten Mal in der Schweiz war, kann man sich unschwer vorstellen, was die Folge-wanderungen bis nach Schaffhausen kosten würden, wenn man auch hier auf Organisation und bezahlte Herbergen zugreifen will. Ohne gute Freunde vor Ort als Nachtquartier ist leicht mit den doppelten Kosten zu rechnen. So habe ich also nach Gutsherren Art beschlossen, nicht weiter auf diesem interessanten Weg zu wandern und abzuwarten, wie sich die geplanten Fortsetzungen nach Süden – über den Stevensonweg in die Cevennen oder die Anschlusswege nach Mérindol in der Vaucluse (das Land der Waldenser) entwickeln werden. Wie mein Freund Rainer diese Pille schlucken wird, muss ich mal abwarten. Noch haben wir ein Jahr Zeit zum überlegen ...




Teilstrecke Lac de Bourget - Genfer See



Und nun noch etwas  für all jene, die als Erstes immer mal das lesen, was uns auf unserer Wanderschaft an kulinarischen Erlebnissen beschert wurde.

Dazu kurz diese Einleitung: Es ist der Wunsch der Verantwortlichen des Hugenottenweges, dass zur Verstärkung des Erlebnis-Charakters bei den eingebundenen Herbergen auch die Hugenottenküche nicht zu kurz kommt. Die war jedoch vor rund 300 Jahren eine recht einfache, ländliche Küche und nicht unbedingt geeignet, in ihrer Originalform zum Träumen zu verleiten.

Wer jedoch wissen möchte, was Christa Gombel vom Maison Rambaud im hessischen Ehringshausen-Greifenthal aus diesen überlieferten, französischen Rezepten gemacht hat, der sollte einmal diese Adresse aufrufen. Christa Gombel hat bei ihren Vorfahren aus dem französischen Diois in jahrelanger Arbeit die alten Rezepte gesammelt und einer Verjüngungskur unterzogen. Ich bin sicher, ihre Ahnen hätten gern selbst so gespeist. Sie bietet dazu ihre beliebten Kochseminare an und hat zudem mehrere kleine Kochbücher zu diesem Thema herausgegeben. Hier mal daraus eines meiner Lieblingsrezepte - einfach und schmackhaft und fester Bestandteil meines Repertoires:




































































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